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Die Wiesn und ich....

Mit Hut und Lippenstift bewaffnet gings für mich mal wieder auf die Wiesn!

Nach 6 Jahren Abstinenz wollte ich es nochmal wissen.

Wie fühlt es sich heute an , auf dem größten Volksfest der Welt?


Noch nie war ich ein großer Wiesn- Freund - die Massen und die Preise schreckten mich früher schon ab...


Schon bei der Einladung zum Mädelsabend habe ich dankend abgelehnt...

Als Bier- Verächterin auch nachvollziehbar.

Aber als ich meine Freundin dann aufgehübscht und im Dirndl vor mir sah, juckte es...

Wieviele Dirndl habe ich im Schrank und wann zur Hölle habe ich zuletzt Tracht getragen?

Und wenn nicht zur Wiesn wann denn dann?


Also "LastMinute"- MakeUp aufgelegt und ab zur SBahn...

Vielleicht hat sich ja in den letzten Jahren einiges getan?

Vielleicht finde ich nun doch endlich Spaß daran - jetzt in meinen 30igern?


Das Fahrticket für 8,70 € lies mich schon kurz Zweifeln...

Für eine Strecke von 27km macht das über 3€ pro Kilometer?

München, was denkst du dir dabei?

Ich dachte die öffentlichen Verkehrsmittel sollten billiger sein als das Auto?

Was wenn das Greta erfahren würde?


Rückblickend war mein Highlight aber doch die Hinfahrt.

30 Minuten feinstes Damen- Gegacker...

Wäre ich nicht selbst Teil der Gruppe gewesen, hätte ich mich wohl in ein anderes Abteil gesessen.

Aber was gibt es schöneres als endlich mal die wirklich wichtigen Fragen des Lebens zu besprechen:

War Kai Pflaume wirklich im Käferzelt? Welche Bachelorette trägt das nuttigste Dirndl und gibt es für Brad und Jennifer doch noch ein Happy End?


Angekommen an der Hackerbrücke, rein in das Vergnügen...

Hindurch durch drängelnde Menschen, vorbei an lustigen Gestalten, Strassenmusikern und Bettlern...

Noch bevor wir das Oktoberfestschild durchschritten hatten, war ich schon stolze 9,70 € los!

Willkommen in Minga, so i grod!


Mir schwante meine mitgebrachten 50 € würden mich nicht weit bringen...


Endlich im ersten Zelt angekommen fiel mir gleich ein betrunkener Ami in die Arme, der mir irgendwas von "Love of my life" in den Ausschnitt sabberte.

Zum ersten Mal war ich froh, dass mein Vorbau nach der Schwangerschaft nur noch ein Schatten seiner selbst war - ich mochte mir nicht ausmalen wie er wohl reagiert hätte, wäre der Busen noch gefüllt und nicht durch 3 BHs nach oben gehalten gewesen...


In bester Freundinnen- Manier wurde ich aber gleich aus seinen Fängen befreit, wir brauchten schließlich einen Platz und den konnte uns auch der Ami nicht besorgen.

Man möchte meinen 5 Frauen haben kein Problem noch irgendwo zusammen zu rutschen - doch weit gefehlt!


Nachdem wir im zweiten Zelt ebenfalls nicht fündig wurden, saßen wir uns in den Käfer-Biergarten…

Käfer: bekannt für Promis, Delikatessen und überteuerte Preise

aber immerhin ein Platz zum Sitzen – direkt am Eingang, ohne Musik und im Dunstkreis der "Scheißhäuser".

Vom Hunger getrieben krallte ich mir die Karte… 18,90 € für ein halbes Hendl, Respekt!

Allerdings muss ich sagen die Bezeichnung "Hendl" hat diese nicht verdient.

In meiner Heimat wäre das halbe Federvieh max. die Bezeichnung "Vogerl" wert gewesen.


Wir entschlossen uns unverrichteter Dinge weiterzuziehen, mit der Hoffnung auf einen Platz IN einem Zelt…

2 weitere vergebliche Zeltbesuche später, fanden wir uns doch in einem Biergarten wieder.

Ich ließ mich zu einer geteilten RadlerMaß überreden,

vielleicht schmeckt mir das Lieblingsgetränk der Bayern ja mittlerweile?

Nach einer Schwangerschaft verändert sich ja vieles?

Als der übermüdete Kellner nun 2 halb gefüllte Maßkrüge auf den Tisch stelle,war ich anfangs irritiert... Der heutige Wiesn- Besucher mischt sich sein Radler wohl selbst am Tisch... Klar für 16,80 € kann man das schon mal machen?

Noch immer quälte mich der Hunger... Ich versuchte wieder etwas neues... Ochsenfetzen!

Zähes Fleisch, Glutamatsoße mit nichts als Pfeffer und lasche Bratkartoffeln, lindernden zwar den Hunger aber schmerzten angesichts des Preises... 23,90 €!

Hunger! Noch immer starker Hunger trieb mich voran!


Nach einer weiteren Runde Andrea Berg und Helene Fischer aus den Lautsprechern und einem weiteren besoffenen Banknachbarn, wusste ich es ist Zeit für mich zu gehen...

Zeit nach Hause zu fahren, zu meinem Mann der seinen Geburtstag nun mit den Kindern feierte. Was habe ich mir nur dabei gedacht?

Ich und die Wiesn?


Auf dem Weg zurück zur SBahn gönnte ich mir noch 4 Schokoerdbeeren für 5€ und ein kleines Mitbringsel für die Daheimgebliebenen...

Gebrannte Mandeln gehen halt immer...


Traurige Gestalten säumten meinen Weg...

Die Anzahl der Bettler hatte sich verdreifacht und die allzubekannte "Kotz- Wiese" würde wohl bald wegen Überfüllung geschlossen werden.

Ein letztes Mal blicke ich auf die Bavaria...

Ach Patrona, seit nunmehr 170 Jahren blickst du nun auf dein München herab...

Siehst diesem Treiben Jahr für Jahr zu... Was würdest du nur dazu sagen?

War es im Sinne König Ludwigs I. , dass du dir mittlerweile als beliebteste Selfie- Hintergrund-Statistin einen Namen gemacht hast?

Was würde er zum neuen Wiesentrend den "Hähnchen-Hüten" Hüten sagen?

Mama Bavaria, sei nicht traurig... Irgendwann ist es vorbei - spätestens dann wenn sich auch der letzte Wiesnbesucher keine Maß mehr leisten kann...


Die Warterei am Bahnsteig zeigte mir erneut die Schattenseiten der Wiesen:

1 Prügelei, 3 Anmachsprüche und 4 Zigaretten später musste ich dann auch noch feststellen, dass meine Sbahn hier gar nicht vorbei kommt...

Also weiter zur nächsten Haltestelle... Allmählich verstand ich warum mir mein Mann nahegelegt hat nicht alleine nach Hause zu fahren...

Für viele Mit-Trachtler schien ich als Freiwild zu gelten...


Die Autorität der anwesenden Polizei wurde allerdings von den Wiesn-Hits 2019 aus den Lautsprechern der "blau-weißen-Partybüsse" leicht in Mitleidenschaft gezogen, aber mit meiner großen Schnauze konnte ich mir auch gut selber helfen.




Pünktlich noch vor der "Bettgehzeit" kam ich zuhause an.

Manchmal muss man eben doch rausgehen um wieder schätzen zu können was man eigentlich hat!



Liebe Wiesn,

wir werden wohl keine Freunde mehr werden.

Anfang 20, dauergeil und im Partymodus magst du mir noch ab und an geschmeichelt haben... Heute als Mutter und Ehefrau widerst du mich eher an...

Ich bleibe bei den kleinen Volksfesten, wo Trachten nicht zur Verkleidung mutieren und Tradition nicht zu einer Zirkusveranstaltung wird.

Ich wünsche dir alles Gute und weiterhin ganz viele Gäste die bereit sind jeden Preis zu zahlen!

Auf eine friedliche Wiesn!




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