Damals, vor 25 Jahren in Niederbayern
kannte man Halloween nur aus dem Fernsehen.
„Amerikanischer Scheißdreck“, wie es mein Vater liebevoll nannte.
Für mich gab es nur den Tag danach.
Allerheiligen, ein christliches Fest, an dem aller Heiliger gedacht wird, der „verherrlichten Glieder der Kirche, die schon zur Vollendung gelangt sind“, der bekannten wie der unbekannten.
Genauso langweilig wie es klingt, war es auch.
Am kalten Novembermorgen machten wir uns zum Schaulaufen am Grab auf.
Andächtig dreinblickende Mütter, schlecht gelaunte Väter und quengelige Kinder säumten den Friedhof. Meist noch die Großeltern im Schlepptau, die sich ihre zukünftigen Liegestätten schon mal aussuchten und groß und breit kundtaten, welche Blumen dann darauf anzupflanzen sind. Die Gesichter allesamt so trüb wie das Wetter.
Die Tanten kniffen mich geschäftig in die Wangen, die älteren Männer versprühten einen Duft von Presssack im Weißbiermantel.
Neidisch dachte ich an die amerikanischen Kinder, die sich wahrscheinlich noch im Zuckerkoma befanden.
Über dem großen Teich machte Sterben wenigstens noch Spaß.
Einige Jahre später verdarb mir dann "Allerheiligen" auch noch die Partynächte, als es um Mitternacht plötzlich leise wurde in den Großraumdiskotheken des Landkreises.
Heute, 25 Jahre und 2 Kinder später ist der Halloween-Hype nun endlich auch in Bayern angekommen.
Übermotivierte Mütter ersetzen die Herbstdeko durch Spinnweben, Kürbisse und Gruseldeko um danach direkt in die Weihnachtsdeko überzugehen.
se können ja am nächsten Tag gleich wieder verwendet werden,Save the Planet und so!
Die Kürbisnummer haben wir in diesem Jahr auch versucht.
Mein Mann und ich. Der Große schon zu cool für solche Basteleien, der Kleine noch zu klein um mit scharfen Schnitzwerkzeugen zu hantieren. Doch lange hatten wir keine Freude an Freddie und Charles, die unseren Eingang bewachen sollten.
Nur 2 Tage dauerte es bis sie in sich zusammenfielen und eine grünfaulige Flüssigkeit vor die Haustüre spiehen. Ich setzte auf die guten alten Grablichter, diese konnten immerhin am darauffolgenden Feiertag wiederverwendet werden. Save the Planet und so!
Aber nicht nur die Deko ist an Halloween wichtig, auch das Verkleiden spielt eine unabdingbare Rolle. Seitich vor 4 Jahren überraschend Bonus-Mama eines 5jährigen geworden bin , nahm ich meine sehr Aufgabe ernst. Nächtelang habe ich auf Youtube Halloween- Schmink- Tutorials studiert, um den kleinen Großen so gruselig wie möglich aussehen zu lassen. Mit Erfolg! Auch wenn dies für ihn 2 Stunden stillhalten und für mich 50 graue Haare mehr bedeuteten sollte.
Doch in diesem Jahr war alles anders.
Der Große wollte bei einem Freund schlafen.
Erst bei einem mit gelauschten Gespräch erfuhr ich, dass die Mama des Kumpels einfach unglaublich gruselig schminken konnte. Ich war gekränkt, so schnell wird man also ausgetauscht. Zum Glück befand sich mittlerweile noch ein weiteres Kind im Haus. Ein Kind das sich gegen Verkleidung noch nicht wehren konnte. Wie unnütz es ist ein Kleinkind zu schminken, bemerkte ich allerdings erst als sich die schwarze Farbe des Tigernäschens an Wänden, Teppichen und Möbelstücken wiederfand.
Aber ich wollte Halloween noch nicht aufgeben!
Zu sehr hatte ich es in meiner eigenen Kindheit vermisst!
Mein Mann teilte die Einstellung meines Vaters bzgl. des gruseligen Spektakels.
Morticia Adams wollte ich sein. Die MILF des Halloweens quasi.
Im Kinderschminken war im zwargut, im mich selbst schminken leider nicht.
Im Spiegel blickte mich weder eine MILF noch ein Morticia Adams an, viel mehr eine Kreuzung von Skelett und Cracknutte.
Resigniert machte ich mich an die Süßigkeitenschüssel für den Abend.
Doch meine Süßigkeitenschublade war bis auf ein paar zurück gelassene Verpackungen leer. Einfach leer.
Der Traum von letzter Nacht, mit dem bärtigen Trollen der ninjagleich und süßlich riechend zu mir in Bett schlüpfte war wohl doch kein Traum gewesen.
Es war mein Ehemann, der mir versicherte Nachts schlaf zu wandeln.
Keine einzige Süßigkeit befand sich mehr in meinem Besitz.
In einer meiner Facebook- Mami- Gruppen hatte ich von engagierten Müttern gelesen, die an Halloween regionales Obst verteilten, um das Ökobewusstsein der Kinder zu stärken.
Was für ein Bullshit! Auf keinen Fall wollte ich zu einer dieser Mütter mutieren.
Kurz vor Ladenschluss erntete ich im Supermarkt dann mitleidige Blicke für meine Verkleidung.
Naja, zumindest mit Süßigkeiten konnte ich wieder dienen.
Als ich kurz nach Einbruch der Dunkelheit das erste mal von der Couch geklingelt wurde, erlebte ich die nächste Überraschung: Das erwartete "Süßes oder Saures" wurde durch ein vorgetragenes Halloween-Lied ersetzt, welches eine Mutter wohl eines Nachts bei Google ausgegraben haben muss.
Nach dem letzten Ton stürzten sich alle auf meine Schüssel.
"Wäh, Raffaello mag ich gar nicht.".,raunte einer der kleinen Quälgeister.
Langsam reichte es mir, was war nur aus den Kindern geworden?
Wie froh wäre ich damals für ein einziges Raffaello gewesen!
"Dann schleich di", entfuhr es mir. "und sing woanders, du Sternsinger du!"
Oh ja, meine Laune war dahin.
Das zweite Klingeln versprach keine Besserung.
Es gab zwar keinen Gesang, aber auch keine Verkleidung.
Zwei halbstarke Jungs murmelten den "Süßes oder Saures"- Spruch in Jeans und Pullover.
"Ja sog amoi, ohne Kostüm gibt's a nix Süßes. Wos moantsn ihr?"
Ich haute die Haustüre schwungvoll zu. Das war ja alles nicht zu fassen!
Das dritte und letzte Mal als es Klingelte war ich zu langsam und die Kinder schon weitergezogen, lediglich ein paar leere Gummibärentüten erinnerten an ihre Anwesenheit.
Langsam freute ich mich doch auf Allerheiligen, um die ganzen kleinen Schratzen am Friedhof frieren zu sehen.
Halloween zwar endlich angekommen aber an der Umsetzung happert es noch gewaltig.
Mein Vorschlag zur Güte:
Wir vereinen Halloween und Allerheiligen zu einem "Hallo Heiligen".
Abends am Friedhof finden die Kinder bei Oma und Opa am Grab eine volle Schüssel Süßigkeiten´. Untermal wird das Ganze von der Kirchenorgel und Pfarrer und Ministranten erschrecken die vorbeilaufenden Kinder.
Oma im Himmel freut sich über Besuch und die Kinder freuen sich auf Oma.
Um den christlichen Gedanken zu wahren, kann ja auch zum Abschluss noch ein Vater unser gebetet werden.
Over and out!
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