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Mein Date mit der ARGE

Die Eingewöhnung ist in vollem Gange und Mamas Konto braucht dringend mal wieder etwas „Input“.


Die Frage aller Mütter rollt nun auch unaufhaltsam auf mich zu:

Wie geht es weiter nach der Elternzeit?

Weiter nach 1/2/3 Jahren zuhause,

zuhause bei den Kindern,

zuhause bei der Wäsche,

zuhause beim Haushalt?

Weg vom Schuss,

weg vom Büroalltag,

weg von Microsoft- Office?


Steige ich da wieder da ein wo ich angefangen habe oder

will ich nochmal einen Neuanfang wagen?

Habe ich mir in jungen Jahren wirklich den Job meines Herzen ausgesucht?

-Nein, damals habe ich mich weder auf meine Intuition noch auf mein Herz gehört.

Ich wollte Geld verdienen, koste es was es wolle…



Schon zu Schulzeiten hatte ich nur den Führerschein,

ein Auto und die große Freiheit vor meinem geistigen Auge.


Für meine Träume habe ich vieles getan...

Ich habe geputzt, ich habe bedient, ich habe gemodelt und ich habe getanzt.

Und als es soweit war, habe ich die Ausbildung genommen die sich mir am Einfachsten angeboten hatte:

Der klassische Werdegang – Mittlere Reife – Ausbildung Bürokauffrau nach IHK


Fertig, Entscheidung getroffen – meine berufliche Zukunft war festgelegt,

der Grundstein für die nächsten 50 Jahre Arbeit war gelegt...


Zunächst hat mich das Schicksal- und meine Liebe zu Granatsplittern

immer in die Büroräume von Bäckereien getrieben.

Gut es gibt schlimmeres,

immerhin durfte ich mich immer an den Köstlichkeiten bedienen…




Irgendwann jedoch hatte ich genug von Backwaren

und habe mich tatsächlich in einer Behörde wieder gefunden.


Ich war nicht mehr nur angestellt, ich war angestellt im öffentlichen Dienst.

Mein öffentliches Ansehen stieg rapide!


Allerdings war es in der Behörde, wie bei meinen geliebten Granatsplittern:

zuerst himmlisch süß,

aber nach einiger Zeit kann man sich auch die Zähne daran ausbeißen.


Deshalb konzentrierte ich mich auf mein privates Glück.

Verliebt- verlobt- verheiratet - schwanger - Elternzeit

Und jetzt stehe ich da…


Will ich wirklich zurück?

Will ich die nächsten 35 Jahre hinter irgendeinem Schreibtisch verstauben?

Aktuell kann ich mir das nicht vorstellen...


Vielleicht sind es noch Resthormone, aber die Vorstellung einen Job zu haben der mir wirklich Spass macht, hinter dem ich einen größeren Sinn sehe gefällt mir immer mehr…

Natürlich muss ich Geld verdienen, aber kann das nicht auch mit Leidenschaft und Engagement einhergehen?

Was will ich denn eigentlich machen?


Die Internet- Recherche bringt mich nicht wirklich weiter – sie erschlägt mich förmlich…

Die meisten Stellenanzeigen verstehe ich auch nicht mehr -

war ich wirklich solange weg vom Schuss?

Ausschreibungen für "Reporting Junior Assistant", "Hospitility Management Front Office" und "Junior Accountant" verwirrten im komplett.


Also back to the Roots…Gab da nichts Analoges?

Ja, diese Stelle gibt es…

Das gute alte Arbeitsamt aka ARGE…


Ganz altmodisch habe ich also bei der Hotline angerufen und mein Anliegen geschildert.

Noch altmodischer wurde mir dann ein Termin postalisch zugesendet.

Email geht leider nicht – Danke Datenschutzverordnung!








Ein paar Wochen später finde ich mich vor dem hiesigen Bürokomplex wieder.

Als ich durch die Türe gehe, werde ich in meinem Tatendrang gleich gestoppt.

Ein Mann in dunkler Kleidung und mit ernstem Gesicht stellt sich mir in den Weg.

Sicherheitsdienst!

Seit wann gibt es in Behörden einen Sicherheitsdienst?

Und wieso hat es das bei uns nicht gegeben?

Sind ARGE- Mitarbeiter schützenswerter als der Rest der Öffis?


Als ich verwirrt meine Einladung hervorkrame hellt sich aber das Gesicht der „Security“ auf und mir wird freundlich der Weg in einen langen Büroflur erklärt.


Die Mittagspause war gerade vorbei und der Geruch von Tütensuppen und Mikrowellengerichten hing noch in der Luft.

Am Flur herrschte emsiges Treiben und die MitarbeiterInnen beendeten noch schnell den angefangenen Mittagsplausch.

Frischer Kaffeegeruch mit einer Note Asbest erinnerte mich an meine Behörden- Zeit zurück. Das musste 100 Jahre her sein…


Bevor ich mich setzen konnte werde ich auch schon aufgerufen.

Nicht, wie gewohnt mit einem langgezogenen „MMMMAAAAAAAMMMAAA“,

sondern mit meinem vollen Namen.

Es ist gefühlt schon so lange her, dass ich mich erstmal umsehe,

ob auch wirklich ich gemeint bin.

Fast 2 Jahre habe ich schon einen neuen Nachnamen,

aber werde ich mich jemals daran gewöhnen?


Ein freundlicher Mann mittleren Alters nimmt mich in Empfang

und geleitet mich in sein Büro.


Postkarten an der Wand, ein Poster das tief blicken lässt und

eine gute alte Filterkaffeemaschine nehmen mich in Empfang.


Zu allererst wird mir erklärt, dass ich eigentlich fehl am Platze bin,

da ich aktuell nicht arbeitslos gemeldet bin und

somit nicht zum regulären „Kundenstamm“ der ARGE gehöre.


Mein Sachbearbeiter gibt mir aber dennoch nicht das Gefühl hier falsch zu sein.

Er erkundigt sich ehrlich interessiert, wie ich die Zeit bis zur Rente gestalten will.

Ich erkläre ihm ein wenig von dem ganzen Social Media Wahnsinn,

den Recherchen für den Podcast und den Dingen die mir Spass machen und mir liegen.


Er hört interessiert zu, allerdings merke ich dass die schnelllebige Internetwelt noch nicht in die verstaubten Räumlichkeiten der deutschen Behörden vorgedrungen ist.

Wieder fühle ich mich an meine Zeit beim bayrischen Staat zurück erinnert,

in der WLAN für unsere „Kundschaft“

(die zukünftige Elite des Landes) über Jahre hinweg durchgeboxt werden musste.


Nichtsdestotrotz habe ich einige wertvolle Tipps bekommen und habe mich sehr wohlgefühlt.

Auch einige Online- Kurse wurden mir ans Herz gelegt und ausführlich erklärt.


Zum Schluss wurde ich noch ins BIZ geführt,

dem Berufs-Informations- Zentrum des Gebäudes.

Der Raum, in dem ich als obercoole Teenager Rebellin,

meinen ersten Verweis kassiert habe – unerlaubtes Entfernen und Rauchen!

Damals hätte ich nicht geglaubt als Erwachsene nochmal freiwillig dahin zu gehen...


Wir fanden uns in einem riesigen Raum wieder indem unzählige Rechner und Regale standen mit allem was das Arbeits-Informations-Herz begehrt.

Ein einsamer Besucher versteckte sich hinter seinem Bildschirm während der „Head-of-BIZ“ lautlos hinter seinem Tresen hervortrat und uns seine neuen Birkenstock in Tennissocken präsentierte.

Hallo Klischee!



Der Empfang war herzlich – man kennt sich…

Mein Anliegen wurde kurz geschildert und ich wurde vor eine Regalwand mit tausenden kleinen Flyern und Broschüren geführt.


Mein „Hello Nachhaltigkeit“ wurde dezent überhört und/ oder ignoriert.


Der erste Flyer wurde mir in die Hand gedrückt.

„Motiviert zurückkehren - Erfolgreich durchstarteten “

versprach mir eine glanzvolle Zukunft mit Hosenanzug und Headset,

die lachenden, glücklichen Kinder im Hintergrund.


Ich war verwirrt...

War ich wirklich solange weg vom Schuss – war das jetzt die Vorstellung von einer perfekten Karrierefrau und Mutter?

Oder war das die Vorstellung von vor 10 Jahren und die ARGE hat den Sprung noch nicht geschafft?

Schließlich Leben wir ja in Zeiten von Home- Office und Work- Life- Balance….


Ich blätterte mich langsam weiter durch das unendliche Angebot von Informationen.

Nichts sprach mich wirklich an und anstatt der viel diskutieren "Work- Life- Balance" fand ich weitere Regalreihen, ordentlich sortiert und aufgereiht.

So eine Ordnung hätte ich zuhause auch gerne, doch obwohl ich aktuell noch in Vollzeit für den Haushalt zuständig bin, bin ich von dieser Ordnung noch meilenweit entfernt.



Der Gead of BIZ war geschmeichelt, als ich ihm zu seiner Ordnung gratulierte.


Zum Abschied erhielt ich noch die neueste Ausgabe von

„Praktische Berwerbungstipps für Frauen“….

Ich lachte und fragte was die Bewerbungstipps für Frauen von den Bewerbungstipps für Männer unterschied – wir lachten alle herzlich.

Eine Broschüre für Männer war in den prall gefüllten Regalen nicht zu finden.

„Männer brauchen sowas auch nicht, die wissen ja wie man sich bewirbt“,

warf ich in die Runde und erntete schallendes Gelächter der anwesenden Männer.

Sogar der stumme Quoten- Gast lugte hinter seinem Bildschirm hervor und nickte mir lachend zu.


Ich steckte die gesammelten Werke in meine Tasche und verabschiedete mich.

Auch wenn ich zu den "modernen Jobs" wenig Information fand,

fand ich mich doch gut beraten und herzlich empfangen.

Die beiden Herren winkten mir noch zu und auch der Security- Mann schenkte mir zum Abschied ein Lächeln.


Auch wenn ich immer noch unschlüssig bin, hat mich das Gespräch motiviert wieder aktiv zu werden und mich mit der aktuellen Arbeitswelt auseinander zu setzten.


Es hat mir vor Allen eins gezeigt: Ich kann immer noch gut mit Menschen und die Elternzeit hat mir definitv mehr Selbstbewusstsein beschert.


Was ist schon ein Vorstellungsgespräch im Vergleich zu einem zahnenden Kleinkind?


Mamas, habt keine Angst!

Wer die Elternzeit überlebt hat, den kann in der Arbeitswelt nichts mehr schocken!



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