top of page

Mein Abend mit Udo Wachtveitl

Mörderisches Bayern in Eching

 


 

Meine erste Veröffentlichung thront eingerahmt über mir, als mich die Anfrage zur Lesung „Mörderisches Bayern - Udo Wachtveitl liest Robert Hültner" in Eching erhalte. Als Polizistentochter und Krimi- Fan sage ich natürlich sofort zu und freue mich auf einen spannenden Abend mit dem Tatort- Kommissar Wachtveitl. Wie besonders der Abend letztendlich für mich werden sollte, wusste ich zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht. Mit meinem „Rasenden- Reporterinnen- Outfit" mache ich mich fertig. Mal einen Abend raus, ohne Mann und Kinder – allein auf einer Kulturveranstaltung! Während ich mich im Spiegel begutachte, frage ich mich wann ich Udo Wachtveitl das letzte Mal im Tatort gesehen habe. Ich weiß es wirklich nicht mehr. Schließlich bekämpfe ich sonntags gegen 20.15 Uhr meist selbst noch Monster unter den Kinderbetten, bringe Wasser für den unstillbaren Durst und begleite die daraus resultierenden Toilettengänge. It´s a Mothers Life! Wenn ich dann endlich selbst ins Bett falle, haben Leitmayr und Batic den Mörder meist schon so gut wie dingfest gemacht. Aber ganz weg vom Krimi bin ich dennoch doch noch nicht. „Die 3 Fragezeichen Kids", halten mich zumindest immer über die Abenteuer in Rocky Beach auf dem Laufenden. Danke, Kinder! Danke, Alexa! In der Familienkutsche rase ich also nach Eching. Das Foyer des Bürgerhauses ist bereits gut gefüllt und Kurzentschlossene holen sich an der Abendkasse noch die letzten Karten. Ganz dezent mische ich mich mit meiner riesigen Kamera unter die Menschenmenge und fühle mich unglaublich wichtig. Ein Kaffee zu später Stunde konnte nicht schaden. Hätte ich gewusst, dass ich den berühmten „Leitmeyr" gleich noch persönlich treffen sollte, hätte ich auf den Kaffee wahrscheinlich verzichtet. Gerade als ich mir meine Pressekarte abholen will, macht die Information „Er ist da" die Runde im Büro. Die Aufregung der Angestellten ist spürbar und ohne darüber nachzudenken frage ich ob ich mit dem Künstler sprechen könne. Als die Worte meinen Mund verlassen bereue ich sie schon! Ein Interview? Ich? Mir wird mulmig. Ich habe mich eigentlich darauf eingestellt, mein erstes Interview mit dem Vorsitzenden des örtlichen Bienenzüchtervereins zu führen, wobei ich wahrscheinlich nicht minder aufgeregt gewesen wäre, mich aber zumindest vorbereiten hätte können. Aber ein Tatort- Kommissar? Jemand den alle kennen? Jemand der in seinem Leben wahrscheinlich schon mehr Interviews geführt hat als ich Wäsche gewaschen? (und das will was heißen!) Es ging alles unglaublich schnell. Er wolle mich empfangen, wenn dann aber gleich. Mir wird mulmig. Kurzzeitig überlege ich eine Ohnmacht vorzutäuschen, möchte aber die Kamera meines Mannes auf keinen Fall gefährden. Also Brust raus und rein ins Vergnügen. Dann stand er da, viel größer als im Fernsehen. Ein gutaussehender Mann mit grauem Haar und wachsamen Augen streckt mir die Hand entgegen. Der hat bestimmt viele Groupies! Auf dem Weg in den Künstlerbereich fragt er mich für wen ich schreibe. Als ich es ihm sage, schaut er mir tief in die Augen und versichert mir, seit Jahren ein treuer Leser zu sein. Ich freue mich wie ein Schulkind, bis ich merke ihm auf den Leim gegangen sein. Wachtveitl hat mich enttarnt. Was habe ich auch von einem Kommissar erwartet? Das kann ja lustig werden. Ich nehme Platz und höre Wachtveitls Kollegen im Nebenraum eifrig quatschen. Fragen! Ich brauche Fragen! Gut, dass ich zuhause zwischen dem Abendessenkochen und der Kinderbespaßung seinen Wikipedia-Eintrag zumindest kurz überflogen habe. Recherche at it´s best! Während ich mich über mich selbst ärgere, fällt mir mein „Bob- der Baumeister" Notizblock aus dem 1 € Laden zu Boden. Bob grinst uns beide an – „Ja wir schaffen das!" „Wie sind sie denn zu Lesungen gekommen?", beginne ich schnell das Gespräch. Berufsfern sei es jedenfalls nicht, antwortet er mir. Langsam wird mir schlecht. Kaffee bleib da wo du hingehörst! Bleib drin! „Und wie sind Sie zu Robert Hültner gekommen?", frage ich weiter. Ich blicke ihn flehend an und er rettet mich, Gentlemen wie er eben ist. Froh eine kurze Redepause zu haben notiere ich jedes Wort auf meinen Notizblock, ohne dabei den Blickkontakt zu verlieren. Unleserlich ist dafür gar kein Ausdruck! Wachtveitl, der den Ablauf eines Interviews wohl zu genüge kennt, redet Profi-mäßig und gibt mir die Informationen, die ich brauche. Seine Kollegen seien über all die Jahre zu Spezeln geworden. Es sei ein nettes Zusammentreffen und man habe Spaß die Abende zusammen auf der Bühne zu verbringen, berichtet er mir. Er fragt mich ob ich auch Spezln habe. „Nein," antwortete ich schnell, „ich habe Kinder." Er lacht! Juhu! Wachtveitl spricht weiter, berichtet mir von seinen bisherigen Lesungen. Schreiben, zuhören und sich gleichzeitig die nächste Frage überlegen, überfordert sogar ein Multitasking-Talent wie mich. Ich muss mir dringend ein paar Interview- Techniken aneignen. Vielleicht gab es da ja irgendwo einen VHS – Kurs. STOP! Bei der Sache bleiben! Ich versuche bei all den Fremdwörtern und intelligenten Formulierungen wenigstens annähernd wissend auszuschauen. „Wie sind Sie denn zum Krimi an sich gekommen?", frage ich ihn und spüre, dass dies wohl die einfallsloseste Frage ever ever ever sein muss. Dennoch bleibt er freundlich und gibt mir die einstudierte Antwort. „Was machen Sie am liebsten? Schauspiel, Regie, Synchron oder doch die Lesungen?" Endlich hat mir der Wikipedia-Eintrag eine Frage beschert. Er lachte und gab mir die einzig richtige Antwort. Ich spüre den Zeitdruck - meinen und seinen - und beende das semiprofessionelle Interview. Abschließend frage ich ihn noch nach einem Foto – ja, gut nach einem Selfie. Er lächelt mich an und sein Philosophie- Studium bricht nun vollends aus ihm heraus. Nein, kein Selfie. Diese stoßen ihn kulturphilosophisch ab. Dieses Mal konnte ich mein Unwissen nicht verbergen und zog eine Augenbraue nach oben. „Sie sind wie Plastiktüten im Meer, Selfies vergehen niemals und das ist etwas was ich nicht gut finde". Ich verstand. Trotzdem hätte sich ein Selfie mit ihm auf meinem Instagram-Account wahnsinnig gut gemacht. Noch einmal schüttelt er mir die Hand und begleitet mich sanft hinaus. Wieder im Foyer angekommen, konnte ich das Grinsen nicht mehr aus meinem Gesicht bekommen. Der Medienwolf hat mich nicht gefressen! Auch wenn ich wohl nicht besonders geglänzt habe, ich habe mein erstes Interview in der Tasche und das mit einem echten Tatort-Kommissar! Zurück im Foyer lerne ich gleich auch noch einen Reporter-Kollegen kennen. Vom Adrenalin berauscht frage ich ihn, ob wir trotz der Konkurrenz Freunde sein können. Er lachte und wir werden Freunde und teilen uns einen Platz in der Front Row. Kurz vor Beginn wechsle ich den Platz aber nochmals. Die Ränge sollen mir das perfekte Bild zu dem Abend liefern. Es wird dunkel und ich bemerke, für ein gutes Bild viel zu weit weg zu sein. Die Kamera hätte ich vorher bei meiner geplanten Ohnmacht also locker opfern können! Zu spät, die Vorstellung beginnt und ich sitze neben der Leitung des Bürgerhauses, hoch über den Köpfen des Publikums. Mit Beginn der Veranstaltung fallen mir plötzlich hunderte, wenn nicht sogar tausende Fragen an Wachtveitl ein. Er war ja immerhin auch Synchronsprecher in „Findet Nemo" und the one and only „Disenys Gummibärenbande". Wieso hab ich darüber nichts gefragt? Danke, Hirn! Die Fragen werden irgendwann von „Foto, du brauchst ein gutes Foto" abgelöst. Ich blicke auf meinen neugewonnenen Freund hinunter, der noch immer direkt vor Wachtveitls Sprechertisch sitzt. Das „Vorstellung hat keine Pause"- Schild tritt vor mein geistiges Auge. Und so schleiche ich ganz leise, während die Musik spielt, zurück an meinen ursprünglichen Platz. Ich fühle die genervten Blicke der Zuschauer und versuche sie zu ignorieren. Endlich angekommen liest Wachtveitl bereits weiter. Gerade in dem Moment, in dem ich versuche mit meinem Handy „den Shot" des Abends zu schießen, erlischt Wachtveitls Bühnenlicht und die Musik setzt erneut ein. Der Kommissar blickt kurz auf und mustert mich und mein Smartphone streng. Ja, die Plastiktüte ist wieder da! Ich packe mein Handy weg und genieße die letzten Minuten der Aufführung demütig zu Wachtveitls Füßen. Die Veranstaltung endet und ich verabschiede mich von meinem neuen Freund und der Veranstalterin und fahre nach Hause. Was ein Abend! Für Sie berichtete Katharina Raeck.

(veröffentlicht am 19.11.2019 im Echinger Echo - IKOS Verlag)


Comentários


bottom of page